Ein goldener Herbsttag am Main: Huckepack auf einem gelben Truck
rollt der Monza Concept vor das Adam Opel Haus. Der Namensgeber des
brandneuen Konzeptfahrzeugs, ein Monza GSE, ist bereits in Positur
gebracht. George Gallion, der 1977 den Ur-Monza mitentworfen hat, und
Friedhelm Engler, Director Advanced Design des Monza Concept, verfolgen
gebannt, wie beide Wagen nebeneinander platziert werden – ein
Gänsehaut-Moment. Sofort versammeln sich Dutzende Mitarbeiter, zücken
Smartphones, umrunden die Boliden. Auch die beiden Designer sind erst
einmal nicht dazu zu bringen, wie geplant für den Fotografen zu
posieren. Noch während der Monza Concept rangiert wird, öffnet Gallion
die Heckklappe des GSE. „Das war ein kniffliges Ding“, sagt er und
streicht über die filigrane Einfassung der Heckscheibe. „Sie macht den
extrem schmalen Rahmen, den wir unbedingt wollten, steif genug“,
erläutert er. „Von der Heckklappenverglasung“, sagt Engler, „haben wir
uns beim Monza Concept inspirieren lassen.“ Und der steht jetzt in
Position. Mit einem Fingerstreich über den hinteren Kotflügel öffnet
Engler die riesige Flügeltür. Lautlos. Gallion nimmt Platz. Per Touchpad
fährt Engler die LED-Projektion hoch. Das geschwungene, von Tür zu Tür
reichende Cockpit, erwacht zum Leben. Auf der Cockpitfläche erscheinen
virtuelle Schalter und Drehregler. „Alles kann hier eingeblendet werden.
Ein CD-Cover, die Navi-Karte, eine Facebook-App, was du willst, wo du
willst“, erläutert Engler.
Zehn Fragen an die Opel-Designer George Gallion und Friedhelm Engler?
Herr Gallion, Sie haben mit dem Monza A2 1983 Geschichte
geschrieben. Es war das erste Auto mit einem digitalen Display. Was
sagen Sie nun zu dieser neuen Form der Instrumenten-Anzeige?
GALLION: Manche Zeitungen nannten unser
Display damals Mäusekino. Das gefiel mir gut. Das hier ist – was soll
ich sagen: „Micky Maus goes Star Wars“. Ich bin fast ein wenig neidisch,
wenn ich sehe, was heute möglich ist. Wie schön dieses Auto geworden
ist.
ENGLER: Hey, George, du hast ja eine Gänsehaut. Diese
Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ist der Wahnsinn, oder? Diese
Infotainment- und Instrumenten-Anzeige war ursprünglich viel kleiner,
reduzierter geplant. Dann haben wir festgestellt: Das funktioniert
richtig gut, wir können die multifunktionelle, personalisierbare
Instrumententafel über die ganze Breite anlegen und sogar die
Mittelkonsole einbeziehen. Es ist der letzte Stand der Forschung.
? Herr Gallion, Herr Engler, Sie beide waren von 1992 an gemeinsam bei Opel. Gab es Berührungspunkte?
Gallion: Aber klar doch. Friedhelm hatte sogar bei mir sein Bewerbungsgespräch.
ENGLER: Ich erinnere mich noch gut. Nach dem Gespräch hat mich
George durchs Studio geführt und unter alle Abdecktücher schauen
lassen. Das hätte er gar nicht gedurft. Aber das macht die Faszination
von Opel aus: nahbar sein – damals wie heute.
? Wie hat sich die Arbeit der Designer verändert?
ENGLER: Am Anfang stehen die Vision, die Idee, dann Bleistift und gutes Papier – das ist geblieben, oder George?
GALLION: Ja. Das alte Klischee – der Designer sitzt im Café
und skizziert mit Stift und Papier vor sich hin – es stimmt. Auch in
Besprechungen hören Designer zwar zu – na ja meistens – aber sie
zeichnen dabei.
ENGLER: Was sich geändert hat, sind die Werkzeuge – Computer-Entwicklung und 3D-Programme, Fräsmaschinen und Simulationen.
? Vor 48 Jahren präsentierte Opel auf der IAA als erster
Automobilhersteller weltweit ein Konzeptfahrzeug, den Experimental-GT.
In diesem Jahr ist es der Monza Concept. Wie wichtig sind
Konzept-Fahrzeuge für die Evolution des Designs?
GALLION: Die Showcars sind dazu da, neue Design-Ideen zu
zeigen. Sie müssen nicht unbedingt in ein Produkt münden, sie sollen
eher eine Tendenz aufzeigen. Wir hatten bei Opel damals die erste
Designabteilung in Europa, die nur forschen durfte, unabhängig von einer
bestimmten Produktlinie.
ENGLER: Der Monza Concept ist die Vision der Marke Opel – auch
für uns selbst, für Designer, Mitarbeiter und Kollegen. Es motiviert
unheimlich, wenn man verfolgt, wie eine Vision Gestalt annimmt. Wir
haben ja gerade gesehen, was hier vor dem Adam Opel Haus passiert ist.
Kaum steht das Auto, kommen die Kollegen in Scharen, betrachten den
Wagen, machen Fotos.
? Wie wurde die Idee des Monza Concept geboren?
ENGLER: Es begann mit einer Vision der Marke. Wir wollten
Effizienz visualisieren, die auch in Technik umsetzbar ist. Es sollte
nicht schwer wirken, aber auch nicht zu filigran. So entstand die
Schlüsselskizze mit Dame und Hund. (Engler holt ein Poster, das den
Wagen neben einer Dame mit Windhund zeigt.) Dieser Windhund hat kein
Gramm Fett zu viel, ist unglaublich agil und sieht dabei elegant aus.
Das ist perfekt. Dazu diese Frau, das ist einerseits Siebziger,
Achtziger, aber auch modern und cool. Das war’s, das war eine runde
Story. Gemeinsam haben wir das zwei Jahre lang weiterentwickelt. Ein
Showcar ist nicht die Arbeit Einzelner. Es ist Teamarbeit von 70 oder 80
Leuten.
? Apropos Windhund: Man liest immer wieder, dass Tiere die
Inspiration für automobile Formen liefern. Gehen Designer in ihrer
Freizeit regelmäßig in den Zoo?
ENGLER: Ich glaube nicht, dass unsere Leute im Zoo abhängen. Obwohl, George, es gibt da ja die Geschichte mit dem Manta …
GALLION: Das war 1969. Als Reaktion auf den Ford Capri hatten wir
innerhalb von vier Wochen den Prototypen eines Coupés entworfen.
Raubfischnamen waren damals in. Wir wollten es Manta nennen und die Form
des Fischs als Emblem benutzen. Aber niemand konnte uns sagen, wie
dieser Rochen überhaupt aussieht. Niemand bis auf Jacques Cousteau, der
Meeresforscher. Also bin ich zu ihm nach Paris gefahren, um Fotos des
Manta abzuholen. Na ja, sonderlich schön war der Fisch eigentlich nicht.
Wir haben ihn dann noch etwas eleganter gezeichnet.
ENGLER: Beispiele aus dem Tierreich sind einfach dankbar, weil
sich jeder etwas darunter vorstellen kann. Wenn ich in einer
Besprechung „Gepard“ oder eben „Windhund“ sage, hat jeder sofort ein
Bild im Kopf.
? Monza, das heißt: Sportcoupé mit großem Innenraum. Welche Parallelen gibt es noch zwischen Monza A und Monza Concept?
ENGLER: Der Monza Concept ist eigenständig. Es finden
sich aber einige bewusst gesetzte Zitate des Monza A in ihm, zum
Beispiel die angedeuteten Lufteinlässe der C-Säule. In der Führung der
Dachlinie spiegelt sich die Funktionalität, wofür die Marke Opel ja auch
steht. Er ist dadurch ein vollwertiger Viersitzer, ohne Kompromisse.
Wir nennen ihn deswegen Sportsbreak und nicht Sportcoupé. Die großzügige
skulpturale Verglasung – auch das ist ein Zitat – bringt Leichtigkeit,
nimmt auch optisch Gewicht aus dem Wagenkörper. Ansonsten ist der Monza A
nur Namensgeber, eine Referenz. Wir hatten ihn zwar bei uns im Studio
stehen. Aber wir machen kein Retro-Design, kochen nichts Altes wieder
auf. Auch George und seine Jungs haben nie nach hinten geschaut.
? Wie viel Design des Monza Concept wird denn in künftigen Opel-Modellen stecken?
ENGLER: Der Monza Concept steht genau wie alle Opel für unsere
Hauptaussagen – skulpturales Design und deutsche Ingenieurskunst. Aber
er entwickelt das Thema, die Design-Philosophie weiter, geht in die
nächste Runde – indem er den Fokus auf eine extrem starke Proportion
legt. Deshalb genügen ansonsten einfache Linien. Wie bei einem schön
gewachsenen Christbaum: Bei dem braucht man kaum noch Lametta. Das ist
skulpturales Design. Am Astra GTC sieht man das auch schon gut: Das
seitliche, maximal gezogene Blech macht das Drama aus.
? Kommt es denn häufig vor, dass Sie eine geniale Designidee funktionalen oder technischen Vorgaben opfern müssen?
ENGLER: Nein, nicht, wenn man das von Anfang an gemeinsam mit den Kollegen von Engineering und Marketing entwickelt.
GALLION: Ich habe nie versucht, etwas zu machen, das technisch
gar nicht umsetzbar war. Aber wenn die Ingenieure zu mir sagten: „Nein,
ein Grad Neigung mehr geht an diesem Bauteil nicht“, habe ich gesagt:
„Okay, dann also ein halbes Grad mehr.“
? Übrigens, welche Autos stehen bei Ihnen privat in der Garage? Herr Gallion, Sie sind heute im Meriva gekommen …
GALLION: Ja, das ist schon mein vierter! Das Türkonzept vom
Meriva B ist sehr praktisch, gerade, wenn ich mein fünfjähriges
Enkelkind mitnehme. Und der blaue Aero GT, der bei Opel Classic steht,
der gehört mir auch.
ENGLER: Ich verfolge gerade ein Spezial-Projekt. Mein Sohn und
ich bauen einen Opel GT zu einem Rallye-Fahrzeug um, mit dem wir an
Rennen teilnehmen wollen. Wenn er fertig ist, komme ich mal damit bei
dir vorbei und wir drehen eine Runde.
GALLION: Abgemacht!
Im Porträt: Die Designer und ihre Studien
Friedhelm Engler
Jahrgang 1963, Director Advanced Design GM Europe, ging nach dem
Design-Studium an der Hochschule Pforzheim für drei Jahre als
Produktdesigner nach Tokio. Bei Opel begann er als Transportation
Designer, war später Chefdesigner des Meriva A und des Astra H, dann
Designdirektor Global Compact Car Architecture. Bis 2010 leitete er die
Design-Abteilung des GM Entwicklungszentrums PATAC in Shanghai. Als
Direktor ist er verantwortlich für die Studien RAK e, RAD e und Monza
Concept.
George Gallion
Jahrgang 1937, gebürtiger US-Amerikaner, begann nach dem
Industriedesign-Studium in Atlanta / Georgia (USA) bei GM in Detroit.
1969 wechselte er zu Opel, wurde stellvertretender Design-Direktor. Von
Manta A über Monza bis hin zu seinen letzten Projekten Signum und Movano
tragen viele Opel seine Handschrift. 2002 ging er in den Ruhestand. Er
lebt mit seiner Frau im Taunus.
Monza A1/A2
Der Monza A1 wurde 1977 auf der IAA vorgestellt. Die dreitürige
Coupé-Variante des neuen Top-Modells Senator war mit vier Sitzplätzen
voll alltagstauglich. Angetrieben wurde der Monza von
Sechszylinder-Motoren mit 2,5- bis 3,0-Litern Hubraum. Ende 1982 löste
ihn der Monza A2 ab. In der Top-Ausstattungslinie GSE gab es 1983
erstmals digitale Anzeige-Instrumente. 1986 endete die Produktion des
Coupés, das heute auf dem Sprung zum Kult-Youngtimer ist.
Monza Concept
Er kombiniert die Silhouette eines Sports Break mit der Linie eines
Coupés, Flügeltüren mit Funktionalität. Völlig neuartige Instrumenten-
und Infotainment-Anzeigen in LED-Projektionstechnologie weisen Opels Weg
zu umfassender Vernetzung. Antriebsseitig sorgt das modulare Design für
höchste Flexibilität. Dem Elektro-Antrieb der Designstudie ist ein
1,0-Turbomotor zugeschaltet. Möglich sind aber vielfältige
Kombinationen.
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